Wieder einmal sind Dreharbeiten angesagt. Den Schauspielern nach, die ich zu erkennen glaube, könnte es sich um einen bayerischen „Tatort“ handeln. Die Location befindet sich in der Nähe eines Hotels in der Münchner Innenstadt, in dem aus Prestige- und vor allem Kostengründen bevorzugt die Reichen und Schönen absteigen. In dieser Gegend sind häufig Autos zu sehen, auf die die Bezeichnung „Limousine“ eher zutrifft. Manche Geschäfte sind so exklusiv, dass sie keine Hemmungen haben, ein Paar Herrenhalbschuhe für knapp 5.000 € anzubieten.
Gelegentlich verirrt sich, wie heute, ein Bettler in diese Gegend. Er sitzt, an eine Hauswand kauernd, auf dem Bürgersteig, vor sich ein Pappschild mit der Aufschrift „Ich habe Hunger“. Sein Gesicht macht einen leicht verschmitzten, vor allem aber abgehärmten Eindruck.
Für Dreharbeiten außerhalb eines Studios ist ein großer logistischer Aufwand erforderlich, der sich in mehreren großräumigen Fahrzeugen ausdrückt, die reichlich Parkraum beanspruchen. Dazu gehört ein Wagen für das Catering, wie man die Verpflegung heute nennt. Zufall oder nicht: Dieser Wagen parkt ziemlich genau gegenüber dem Bettler.
Als ich um die Mittagszeit vorbeikomme, hält er einen leergegessenen Plastikteller und eine gebrauchte Plastikgabel in die Höhe, als wolle er sie mir geben. Was aber soll ich damit anfangen? Es für ihn in den nächsten Abfalleimer werfen? Wie sich jedoch herausstellt, bin ich gar nicht gemeint, sondern eine Frau, die hinter mir auf ihn zugeht und offensichtlich für das leibliche Wohlergehen der Filmcrew zuständig ist. Ich begreife, dass er das Geschirr zurückgeben möchte. Statt jedoch einfach nur Teller und Gabel wieder einzusammeln, fragt ihn die Frau, als wäre sie so etwas wie seine Gastgeberin: „Möchten Sie mehr?“
Ein etwas anderer „Tatort“, und was für einer!