Wie ich einmal an Silvester verschnupft war und die Böllerschüsse wie üblich wieder zu früh losgingen

Wenn ich ein rasender Reporter wäre, würde die Geschichte so beginnen:

„Silvester 1995: Einem Mann in mittleren Jahren ist es nicht vergönnt, den Aus­klang des Jahres in fröhlicher Stimmung zu erleben. Er denkt an den neuen Werbespot für Tempotaschentücher, in denen allen leidgeprüften Nasen eine be­sondere Weichheit versprochen wird, damit sie im Falle eines Schnupfens nicht allzu wund gerieben werden, Ergebnis exzessiven Schneuzens. Laut nie­send tut er seiner im Haus verstreuten Familie kund, dass ihn eine böse Erkältung er­wischt hat. Aber die weiß das längst. Er niest nicht zum ersten Mal. Deshalb fühlt sich niemand verpflichtet, ihm ein „Helf Gott!“ oder „Gesundheit“ durch das Treppenhaus zuzurufen. So schnell gewöhnt sich der Mensch an das Leid ande­rer…“

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Wie wir einmal zu schnell von daheim weggegangen sind

Wir haben schöne Orte in Bayern. Oft merkt man denen ihre Schön­heit schon dem Namen an. Meine Lieblingsnamen sind nach wie vor Mitterdingharting oder Großdingharting, Orte, die Ludwig Thoma in „Erster Klasse“ unsterblich gemacht hat. Aber Hallbergmoos ist auch recht schön.

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Es war einmal eine Finanzkrise

Die Finanzkrise hatte im Jahr 2008 die Kreise der Globalisierung bereits massiv gestört, als Politik und Öffentlichkeit von immensen Verlusten mehrerer Landesbanken erfuhren.

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Ein etwas anderer Tatort

Wieder einmal sind Dreharbeiten angesagt. Den Schauspielern nach, die ich zu erkennen glaube, könnte es sich um einen bayerischen „Tatort“ handeln. Die Location befindet sich in der Nähe eines Hotels in der Münchner Innenstadt, in dem aus Prestige- und vor allem Kostengründen bevorzugt die Reichen und Schönen absteigen. In dieser Gegend sind häufig Autos zu sehen, auf die die Bezeichnung „Limousine“ eher zutrifft. Manche Geschäfte sind so exklusiv, dass sie keine Hemmungen haben, ein Paar Herrenhalbschuhe für knapp 5.000 € anzubieten.

Gelegentlich verirrt sich, wie heute, ein Bettler in diese Gegend. Er sitzt, an eine Hauswand kauernd, auf dem Bürgersteig, vor sich ein Pappschild mit der Aufschrift „Ich habe Hunger“. Sein Gesicht macht einen leicht verschmitzten, vor allem aber abgehärmten Eindruck.

Für Dreharbeiten außerhalb eines Studios ist ein großer logistischer Aufwand erforderlich, der sich in mehreren großräumigen Fahrzeugen ausdrückt, die reichlich Parkraum beanspruchen. Dazu gehört ein Wagen für das Catering, wie man die Verpflegung heute nennt. Zufall oder nicht: Dieser Wagen parkt ziemlich genau gegenüber dem Bettler.

Als ich um die Mittagszeit vorbeikomme, hält er einen leergegessenen Plastikteller und eine gebrauchte Plastikgabel in die Höhe, als wolle er sie mir geben. Was aber soll ich damit anfangen? Es für ihn in den nächsten Abfalleimer werfen? Wie sich jedoch herausstellt, bin ich gar nicht gemeint, sondern eine Frau, die hinter mir auf ihn zugeht und offensichtlich für das leibliche Wohlergehen der Filmcrew zuständig ist. Ich begreife, dass er das Geschirr zurückgeben möchte. Statt jedoch einfach nur Teller und Gabel wieder einzusammeln, fragt ihn die Frau, als wäre sie so etwas wie seine Gastgeberin: „Möchten Sie mehr?“

Ein etwas anderer „Tatort“, und was für einer!

Was machen Sie beruflich?

Da wird man an der rechten Schulter operiert, weil da was zum Operieren ist, und schon kommt man über etliche Monate in den Genuss physiotherapeutischer Behandlungen. Dabei geht es schmerzhaft zu, und gelegentlich bedeckt nach verabfolgter Behandlung das zarte Rosa der Haut auch ein blauer Fleck.

Ich habe den Eindruck, dass diesen Beruf überwiegend Frauen ausüben. Aber glauben Sie mir: Die wissen sich Männern gegenüber, insofern es sich um Patienten handelt, meisterhaft zu behaupten, und ihre körperliche und geistige Stärke, die für so einen Beruf unbedingt erforderlich ist, beziehen sie gewiss nicht aus der feministischen Literatur, sondern aus ihrem beruflichen Alltag.

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Mitmachspiele

Den folgenden Zeitungsausschnitt muss ich erklären. Als Student habe ich den Münchner Merkur einmal für zwei Wochen probeabonniert. In dieser Zeit habe ich an einem Mitmachspiel der Wochenendausgabe teilgenommen. Man sollte einer Giraffe, der gerade der Hals geschrubbt wird, Worte in die Sprechblase legen. „Ohne Flecklöser geht da gar nix, das kannst Du mir glauben“, lautete mein Vorschlag, und prompt gewinne ich 100 Mark. So ein Probeabo lobe ich mir. Fester Abonnent bin ich allerdings nicht geworden.

Viele Jahre später habe ich an einem ähnlichen Spiel der Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ teilgenommen. Eine Karikatur stellte eine typische Zahnarztszene dar. Welchen Textvorschlag ich genau machte, weiß ich nicht mehr. Aber das dürfte ziemlich genau hinkommen: „Alles muss raus. Ich schließe die Praxis.“ Mit großer Freude konnte ich dafür 15 € auf der Habenseite verbuchen.

An der Grenze eines Begriffsvermögens

Da fällt mir ein, dass ich endlich einmal die folgende Geschichte aufschreiben sollte.

In deren Mittelpunkt stehen zwei Männer, nämlich der Sozialwissenschaftler Max Wingen (1930-2005) und ich.

Während einer familienpolitischen Tagung saßen wir abends in gemütlicher Runde beisammen und ließen die Eindrücke des Tages Revue passieren. Wie das so ist, kristallisierten sich mit vorrückender Stunde Gesprächsgruppen und -grüppchen heraus, die sich jeweils in ein spezielles Thema vertieften, so dasjenige mit Max Wingen und mir. Ich erinnere mich nur dumpf an das Thema, das uns beide in seinen Bann zog, vor allem mich. Es dürfte um den Begriff Arbeit und sein Verhältnis zur Familie gegangen sein. Ich sparte nicht mit steilen Thesen und Ideen, die Wingen tapfer seiner wissenschaftlichen Kritik zu unterziehen suchte, ohne mich jedoch in Schach halten zu können. Im Gegenteil!

Kurz nach Mitternacht – daran erinnere ich mich durchaus noch – nutzte Wingen eine von mir eingeschobene Redepause, um, was ich rückblickend als besondere Leistung anerkenne, ernüchtert festzustellen: „Schön und gut, Herr Huber, was Sie da sagen. Aber ich habe kein Wort verstanden.“ Und mit einem freundlichen „Gute Nacht“ verabschiedete er sich auf sein Zimmer.

Somit kann ich mich rühmen, einen anerkannten Wissenschaftler, der ein beeindruckendes Werk geschaffen hat, an die Grenze seines Begriffsvermögens herangeführt zu haben.

Im übrigen plagen mich steile Thesen und Ideen bis heute, obwohl ich dem Alkohol nicht mehr zuspreche. Das muss mir also von Natur aus im Blut liegen.