An der Grenze eines Begriffsvermögens

Da fällt mir ein, dass ich endlich einmal die folgende Geschichte aufschreiben sollte.

In deren Mittelpunkt stehen zwei Männer, nämlich der Sozialwissenschaftler Max Wingen (1930-2005) und ich.

Während einer familienpolitischen Tagung saßen wir abends in gemütlicher Runde beisammen und ließen die Eindrücke des Tages Revue passieren. Wie das so ist, kristallisierten sich mit vorrückender Stunde Gesprächsgruppen und -grüppchen heraus, die sich jeweils in ein spezielles Thema vertieften, so dasjenige mit Max Wingen und mir. Ich erinnere mich nur dumpf an das Thema, das uns beide in seinen Bann zog, vor allem mich. Es dürfte um den Begriff Arbeit und sein Verhältnis zur Familie gegangen sein. Ich sparte nicht mit steilen Thesen und Ideen, die Wingen tapfer seiner wissenschaftlichen Kritik zu unterziehen suchte, ohne mich jedoch in Schach halten zu können. Im Gegenteil!

Kurz nach Mitternacht – daran erinnere ich mich durchaus noch – nutzte Wingen eine von mir eingeschobene Redepause, um, was ich rückblickend als besondere Leistung anerkenne, ernüchtert festzustellen: „Schön und gut, Herr Huber, was Sie da sagen. Aber ich habe kein Wort verstanden.“ Und mit einem freundlichen „Gute Nacht“ verabschiedete er sich auf sein Zimmer.

Somit kann ich mich rühmen, einen anerkannten Wissenschaftler, der ein beeindruckendes Werk geschaffen hat, an die Grenze seines Begriffsvermögens herangeführt zu haben.

Im übrigen plagen mich steile Thesen und Ideen bis heute, obwohl ich dem Alkohol nicht mehr zuspreche. Das muss mir also von Natur aus im Blut liegen.

Autor: Emsemsem

Ob gereimt oder nicht: Ich mach's und mag's kurz auf Emsemsem.net, wo es vorwiegend Aphorismen und Gedichte gibt. Ein paar Kleinigkeiten gibt es auch auf youtube.de/@emsemsem.

5 Kommentare zu „An der Grenze eines Begriffsvermögens“

  1. Es macht sicher Spaß, seine Mitmenschen an den Rand des Begriffsvermögens zu führen; das hat mich inspiriert, bekannte Redewendungen in eine komplizierte Version umzuformulieren; hier ist eine Kostprobe:

    Das undefiniert, unspezifiziert, quantitativ nicht bestimmbar und imaginär Vorhandene erfüllt ein nicht näher bezeichnetes Individuum mit dem gleichen expressiven Gefühl, wie das an Hagiophobie leidende transzendente Geistwesen, welches die zur symbolischen Lustration und mit Sakramentalien geweihte Flüssigkeit perhorresziert.

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    1. Harte Nuss, die mich hinsichtlich ihres sprachlichen „Monstrosität” an Kant oder auch Robert Walsers Miniaturen denken lässt! Aber ich knabbere daran und bin vom Aufgeben noch weit entfernt. Ich melde mich.

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      1. Das ist richtig, bravooo 🙂
        Insgesamt hab ich noch 27 weitere umschriebene Redewendungen, vielleicht haben Sie Spaß daran?! Die habe ich zwar für unser Spielforum erstellt, aber die Sippys wollen lieber spielen als ihr Hirn quälen. Man kann diese Redewendungen auch nicht googeln, denn ich habe sie ja verfasst.

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