Ich würde sagen, der folgende Beitrag für die Impulswerkstatt passt sowohl zu Bild 1 als auch, wegen des historischen Bezugs, zu Bild 3. Er könnte sogar zu Bild 4 passen, was aber jeder selber entscheiden mag. Und Glas (Mosaikstück 1) kommt als Wortbestandteil auch vor. Tja, und nachdem ich den Text gerade noch einmal bearbeitet habe, erscheint auch noch Bild 2 ein geeigneter Bezugspunkt zu sein. Wenn ich es recht bedenke, hat meine Geschichte zu allem Überfluss auch einen jahreszeitlichen Bezug zum Advent, der ja an die Zeit erinnert, da geplagte Seelen Heil von Gott erhofften, das sich dann zur großen Überraschung in einer Geburt unter prekären Umständen ereignet haben soll. Schimmert dieser adventliche Aspekt der Hoffnung nicht durch alle vier Bilder hindurch?
Lange nachdem Jakob van Hoddis in einem von Robert Gernhardt so genannten „Lyrik-Hammer” das „Weltende” verspottet und etwas weniger lange, nachdem der Literaturnobelpreisträger Cesław Miłos sein melancholisch-zärtliches „Lied vom Weltende” intoniert hatte, brach tatsächlich die „Zeit der Endgültigkeit“ an. So nannten Zeitzeugen wie ich die apokalyptisch anmutenden Jahre, als sich die Politik in die Absurdität zu verabschieden begann und der Bevölkerung Regeln auferlegte, die einzuhalten unmöglich war, weil sie sich gegenseitig annullierten. Der verantwortungsvolle Staatsbürger wurde zu einer vom Aussterben bedrohten Art.
Damals war es auch, dass die Musik plötzlich anfing, sich von ihren verdutzten Melodien zu lösen und sich in ihre angestammten Instrumente zurückzuziehen. Die Buchstaben machten sich über Nacht vom Acker und ließen ihre Bücher, die nicht wussten, wie ihnen geschah, leer in den Regalen zurück. Buchstäblich aus dem Staub machten sich auch die Farben, so dass allenfalls ein paar verhuschte Pigmentkleckse an bessere Tage erinnern. Unsere Kultur, unsere Herkunft, unsere Geschichte – alles war mit einem Mal Schnee von gestern.
Mit besonderer Wucht traf es die Computer, denen man das Regiment über Wohl und Wehe unserer Zukunft übertragen hatte. Jedes einzelne Bit trat geradezu panisch die Flucht aus sämtlichen Speichermedien an hinein ins wolkig-virale Datennirwana. Die weltweite Vernetzung, lange als einziger Heilsweg zwischenmenschlicher Kommunikation glorifiziert, erwies sich auf einmal als ungangbar, so dass in wenigen Wochen die imposanten Glasbauwerke in sämtlichen Silicon Valleys dieser Welt in ihre Bestandteile zerfielen. Von „Datendämmerung“ war die Rede, und die Zeitung mit den größten Buchstaben titelte ebenso kurz wie souverän: „Die Analogie schlägt zurück“. Eine ganze Epoche schien ihr Ende beschlossen zu haben. Es schien fast, als hielte die Menschen nur noch die bizarre moralische Pflicht aufrecht, nun mit gemeinsamer Kraftanstrengung die Luft aus der Welt zu lassen und mit letzter den Löffel abzugeben. Jedenfalls trübte sich der natürliche Wille zu leben merklich ein. Man ließ es phlegmatisch, geradezu apathisch zu, dass die Melancholie im allgemeinen Stimmungsgefüge die Oberhand bekam und sich endgültig als Einfallstor für die schlimmste aller Pandemien entwickelte: der Depression.
Fürs Arbeiten, Lernen, Bäume pflanzen und für so Sachen wie Kinder erziehen, Pflicht erfüllen, Verantwortung tragen hatte man keine Zeit und erst recht keine Lust mehr. Ich weiß noch, dass ich mir damals nur dachte, jetzt pressiert es, und wir Menschen sollten schnell weggenießen, was an Verwertbarem noch da ist. Wer weiß, was noch kommt.
Tja, und nun streiten sich die Gelehrten darüber, ob das der schon lange beschworene Weltuntergang war, oder wieder einfach nur ein Neubeginn, wiwie er sämtliche Weltuntergänge seit dem Mittelalter hartnäckig begleitet hat, obwohl man sie bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein, manchmal sogar mit Datumsangabe, vorauszusagen pflegte. Immerhin kann man sagen: Wenn es dämmert, ist es entweder Abend oder Morgen.