Es heißt immer wieder, dass man das halbe Leben mit Warten verbringt. Anstatt dass man diese mehr oder weniger meistens gezwungene Zeit gelassen hinnimmt und vielleicht sogar kreativ füllt, regen sich manche Mitmenschen darüber auf, ihre Lebenszeit mit Warten angeblich zu vergeuden. Ein Beispiel dafür kann ich hierzu liefern, als ich meinen Bruder wegen einer Reklamation zum Baumarkt begleitete.
Unser Anliegen war eigentlich ganz simpel. Beim Aufstellen der neuen Stehlampe stellte mein Bruder fest, dass das Gewinde defekt war und die Stehlampe somit nicht mehr ihrem Namen gerecht werden konnte. Sie ließ sich nämlich nicht aufstellen und stand somit auch nicht. Der Fall war also klar. Dieses Produkt war reif für die Reklamation.
Unfreiwillig wurden wir dabei Zeugen des Endes eines Streitgespräches zwischen einer Kundin und der Mitarbeiterin am Info-Schalter. Die Gemüter waren so aufgeregt, dass wir trotz des üblichen Corona-Abstandes fast jedes Detail dieses Gespräches anhören durften.
Anscheinend beschwerte sich die Kundin über die Bürokratie, sich dreimal anstellen zu müssen. Scheinbar hatte auch sie etwas reklamiert. Diese Beschwerde trug sie mit einer solchen Vehemenz vor, dass die Mitarbeiterin die Geduld verlor und sie schon fast anschrie, als sie ihr anscheinend zum wiederholten Mal erklärte, dass die Kasse ihr den Überschuss für die Reklamation nicht auszahlen durfte.
Die Kundin hörte das natürlich nicht gerne, sodass sie sagte: „So vergraulen Sie Ihre Kunden. Kundenfreundlichkeit ist etwas anderes!“ Anstatt zu deeskalieren ging die Mitarbeiterin darauf ein und erwiderte scharf: „Ganz ehrlich! Auf solche Kunden wie Sie können wir verzichten!“ Als das Geld schließlich ausgezahlt wurde, brummte die Kundin noch vor sich hin: „Es wäre wohl besser, wenn ich beim nächsten Mal sagen würde, dass ich nichts weiter einkaufe.“ Kurz entgegnete die Mitarbeiterin: „Ja, besser wäre es!“
Mein Bruder – der Nächste in der doch relativ kurzen Warteschlange – machte sich fertig. Er wollte sogar die Lampe auspacken, um ihr das Problem zu zeigen. Sie aber war nun so freundlich und friedlich, dass sie sich nur mit einer Schilderung begnügte. Da mein Bruder das Geld wollte und nichts Anderes einkaufen wollte, bekam er dieses ohne Widerrede ausgezahlt. So entgingen wir dem Schicksal unserer Vorgängerin, uns dreimal anstellen zu müssen. Erstens zur Reklamation, zweitens an der Kasse und drittens wieder am Info-Schalter, falls er weniger als den reklamierten Betrag ausgegeben hätte.
Bürokratie macht vor dem Baumarkt nicht halt.
Karl Valentins „Buchbinder Wanninger“, in dunkelster Analogzeit in den Untiefen des 20. Jahrhunderts verfasst, ist heute, so scheint mir, noch zeitloser, als er schon immer war.
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Ja, ich glaube man kann ihn öfter treffen als man denkt.
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Hi Monika
Danke für deine aus dem Leben gegriffene Geschichte. Hier in England geht es zwar stets freundlich zu, aber glaube nicht, dass es hier schneller geht.
Schönes Wochenende
The Fab Four of Cley
🙂 🙂 🙂 🙂
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Hi Klausbernd,
Danke für deinen Kommentar. Es ist immer schön solche Szenen aus dem Blickwinkel eines anderen Landes zu sehen.
Dir auch ein schönes Wochenende.
Viele Grüße Monika
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