Die Giraffe in Bild 1 von Myriades Impulswerkstatt regt mich an, folgende Erinnerungen an spezielle Höhepunkte meines künstlerischen Schaffens zu entstauben.
Man mag mich einer materialistischen Gesinnung zeihen (in aktuell gebräuchliches Deutsch übersetzt: Mir doch wurscht, wenn man mich für einen geldgierigen alten weißen Mann hält): Zu den Höhepunkten meines künstlerischen Schaffens gehört es nun einmal, wenn es honoriert wird, wozu ich auch Sachwerte zähle. Bares für Rares ist sowieso ein Motto, das ich in Bezug auf mein Schreiben meist nur vom Hörensagen kenne.
Absoluten, also jeden materiellen transzendierenden Seltenheitswert haben zwei Freikarten, die ich mir für die Rolling Stones erdichtete. Jawohl: Freikarten. Jawohl: Rolling Stones. Jawohl: erdichtet. Das war 1982.
Der Bayerische Rundfunk lobte für das Ereignis, das für den 11. Juni besagten Jahres im Münchner Olympiastadion angekündigt war, Freikarten aus. Voraussetzung: ein selbstgedichteter Vierzeiler. Sofort fühlte sich mein Dichterherz herausgefordert, das damals immerhin schon seit über acht Jahren in mir pulsierte. Mein schon sehr viel länger in mir pulsierendes bayerisches Herz allerdings auch. Also wird man mir nachsehen, dass ich das folgende zusammenreimte:
„De rollenden Stoana
kemman auf Minga.
Und kriag i koa Kartn,
dann daad a ma stinga.“

(Freie Übersetzung ins Standarddeutsche: Die Rollenden Steine kommen nach München und krieg ich keine Karten, dann wäre ich stinkig.) Ein paar Tage später waren die Karten tatsächlich im Briefkasten. So konnte ich meiner damaligen Zukünftigen und nun schon seit fast 40 Jahren Jetzigen etwas bieten, was inzwischen bis an die eintausend Euro Eintritt kosten kann: die Rolling Stones live! Und wie live die waren! Bei so einem Gewinn kann kein Sechser im Lotto mithalten. Denn was ist wahrscheinlicher: ein Lotto-Jackpot oder ein Gratiskonzert der Rolling Stones? Eben.

Zwei, drei Jahre davor habe ich sogar Bares bekommen für das Ausleben meines Schaffensdrangs: 100 DM für nur einen Satz! Ich bezog gerade ein kostenloses zweiwöchiges Probeabo des Münchner Merkur. Damals konnten sich die Leser der Wochenendausgabe kreativ austoben, indem sie eine Sprechblase füllten, die gähnend leer in ein Foto montiert war. Das Foto, das mich inspirierte, zeigte einen Tierparkwärter, der einer Giraffe den langen Hals schrubbte. Die zu füllende Sprechblase war auf das Tier gerichtet.
Mein Vorschlag, den ich unverzüglich auf eine Postkarte an den Verlag schrieb, lautete: Ohne Flecklöser geht gar nix, das kannst Du mir glauben. Prompt waren Habenseite meines Kontos und ich um besagte 100 DM reicher.
Einmal wurde ich sogar eines literarischen Preises gewürdigt, des GRÄGL-Preises um genau zu sein. Gemeint ist das Gräfelfinger Gelegenheitslesen von 1999, das die Gräfelfinger Gelegenheitsschreiber (GRÄGS) veranstaltet haben. Ich habe damals meine „Notizen aus der poetischen Tiefebene“ mit dem Titel „Vermutlich lebt G gar nicht mehr“ vorgelesen. Hintergrund war der 250. Geburtstags unseres, wie man ihn gemeinhin nennt, Dichterfürsten und das angesichts dessen grassierende Goethejahr. Über alle medialen Kanäle wurde der Eindruck vermittelt, dass dieser Goethe weiter munter uns weile. Ich sah mich schon aus reiner Menschenliebe verpflichtet, der Welt mitzuteilen, dass das falsch war. Sogar das Interesse an der damals in unseren Breiten aufgetretenen totalen Sonnenfinsternis schien in den Medien weniger ausgeprägt gewesen zu sein, als dasjenige an Gs rundem Geburtstag. Ich aber war überzeugt: Kein Mensch wird 250 Jahre alt. Aber war G ein Mensch? Und wenn ja, nur einer? Ich will mir gar nicht vorstellen, was los gewesen wäre, wenn damals schon soziale Medien diesen Hype hätten auf- und in ihn eingreifen können oder wenn Influencer schon ihr lukratives Unwesen getrieben hätten.
Den Preis habe ich jedenfalls gewonnen. Die Urkunde hängt immer noch bei mir über dem Schreibtisch, und den Buchgutschein in Höhe von 50 DM habe ich für die Gesamtausgabe von Goethes Gedichten ausgegeben. Kein Literaturnobelpreisträger kann sich jemals mehr über seinen Preis gefreut haben, als ich mich über den GRÄGL-Preis. Zumal seither ein G-Buch weniger auf dem Markt ist, weil es dank des gewonnenen Gutscheins in meinem Regal steht.
Und weil ich nun schon dabei bin, erzähle ich auch noch kurz von jenen 14 €, die ich für den Satz „Alles muss raus, ich schließe die Praxis“ bekommen habe. Das war mein Vorschlag für eine Zahnarztszene, zu deren Beschriftung die Satirezeitschrift „Eulenspiegel“ einlud.
Hat dies auf Emsemsem.net rebloggt.
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Die Übersetzung in aktuelle Sprache ist sehr hübsch 🙂 Als alter, weißer Mann ist man ja noch weiter unten durch als als alte weiße Frau. Letzteres habe ich als Begriff in diesem Zusammenhang auch noch gar nie gehört. Also endlich einmal ein Bereich, in dem Frauen bevorzugt werden 🙂
Gefällt mir deine humorvolle, schriftstellerische Biographie und liebe Grüße an die ehemals Zukünftige 🙂
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Das richte ich sehr gerne aus. Sie hat dich über diese Formulierung auch sehr amüsiert. Danke!
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