Dann ging sie

Noch einmal bringt Myriades Impulswerkstatt meine Fantasie auf Touren, und zwar in zwei Teilen, die ein Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen. Die Aufgabe bestand jeweils darin, den Text mit „Sie öffnete die Tür…“ zu beginnen und mit „…dann ging sie.“ zu beenden.

Sie öffnete die Tür. Abrupt erstarrte sie mitten in der Bewegung. Sorgsam musterte sie die Umgebung, wobei sie mit Blicken um sich warf, die nichts als abgrundtiefes Missfallen zu versprühen schienen, ohne dass sie dafür einen Grund gehabt hätte. Doch eine wie sie hatte Gründe gar nicht nötig. Sie tat, was sie tat, weil sie es tat, und das war Grund genug. Ihr Tun trug den Grund in sich. An ihr ist eine Politikerin verloren gegangen. Noch eine Weile verharrte sie, dann ging sie.

***

„Sie öffnete die Tür.”

„Sie tat was?”

„Wenn ich es Ihnen sage, sie öffnete die Tür. Ich habe das auch nicht für möglich gehalten.“

„Nicht zu fassen.“

„Sie sprang hinauf zum Türgriff und klammerte sich mit ihren Vorderpfoten daran fest. Ihr Körpergewicht drückte den Griff nach unten.“

„Dass sie nicht abgerutscht ist.“

„Jetzt musste sie nur noch die Tür aufstoßen, und der Weg auf die Terrasse war frei.”

„Ja, und dann?”

„Sie verharrte eine Weile. Dann ging sie.”

Autor: Emsemsem

Ob gereimt oder nicht: Ich mach's und mag's kurz auf Emsemsem.net, wo es vorwiegend Aphorismen und Gedichte gibt. Ein paar Kleinigkeiten gibt es auch auf youtube.de/@emsemsem.

10 Kommentare zu „Dann ging sie“

  1. Ah, bei dir sind es zwei verschiedene „Personen“ oder Wesen und zwei verschiedene Textarten, eine Erzählung und ein Dialog! Fein, auch wieder etwas Neues. Ich vermute das zweite ist eine Katze, die schaffen solche Kunststücke 😉 Ich bin begeistert, wie viele verschiedene Ideen dieser Rahmen schon hervorgebracht hat, bei dir ist es ja auch schon der zweite Beitrag dazu. Herzlichen Dank für deine Teilnahme am Projekt !

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    1. Ob Katze oder nicht, kann jeder selber entscheiden. – Im übrigen habe ich zu danken. Für mich, der ich seit 18. Januar 1974 (meistens für die Schublade, aber mit nicht nachlassender Freude) schreibe, ist die Impulswerkstatt eine neue Erfahrung, an der sich mein experimenteller Geist delektiert.

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        1. Mir ist das nicht immer leicht gefallen. Denn da ich meiner literarischen Arbeit höchst ambitioniert nachgehe, bedeutet das eben auch beachtliche Mühe – und Frust. Aber in einer wunderschönen Kirche unweit des Stadtzentrums von München wurde mir klar: Ich mache weiter. Seither mit noch mehr Freude als zuvor.

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