Wieder einmal konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe mich auf Christianes Schreibeinladung eingelassen und auf Basis der Wörter Zylinder, rau und blühen, immer die Grenze von maximal 300 Wörtern vor Augen, folgendes zu Wege gebracht.
Kitsch ist fester Bestandteil in Charlie Chaplins Filmen. Warum auch nicht? Ich erinnere mich, in seiner Autobiografie gelesen zu haben, dass er die Kritik daran souverän konterte mit dem Hinweis, wenn es das ist, was er kann, dann ist es eben so. Und recht hat er.
Am Schluss von „City Lights“ (dt. Lichter der Großstadt) drückt er am Schluss arg auf die Tränendrüse, auch auf meine, wenn das Blumenmädchen durch die Berührung seiner Hand erkennt, dass es der zerlumpte Tramp Charlie war, der das Geld für die Operation ihrer vormals blinden Augen aufgetrieben hat und kein reicher Verehrer, für den sie ihn gehalten hat.
Der Kitsch mag Blüten treiben, so viele er will, solange nur die Fantasie blüht. Vor allem zeichnen sich die Filme des berühmtesten Melonenträgers der Filmgeschichte, diese Parodie auf den englischen Gentleman, durch einen unbestechlichen Blick auf das raue Leben am Rande der Gesellschaft aus, der der ewige Tramp Charlie allen Widrigkeiten zum Trotz Würde und Stil zu verleihen vermag. Wenn Kitsch die Kunst der kleinen Leute ist, dann ist Kitsch – Kunst.
P.S.: Ich besitze eine kleine Madonna, die meine Mama von ihrer Pilgerreise nach Fatima mitgebracht hat. Ich war schon einmal nahe daran, sie als Kitsch zu entsorgen. Rechtzeitig wurde mir klar, dass darin das vertrauensvoll-gläubige Herz meiner Mama steckt, und erkannte: So wertvoll kann kein Warhol, Goya oder Dürer sein.
P.P.S.: Was viele nicht wissen: Vor der Erfindung des Tramps mit Melone, zerschlissenem Frack, kessem Bambusstöckchen und zu großen Schuhen gab Chaplin eine vornehm-snobistische Figur mit – Zylinder.
Hat dies auf Emsemsem.net rebloggt.
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Kitsch oder Kunst, phhh, daran werden sich die Geister immer scheiden und nie einer Meinung sein. Unbestritten ist, dass er die Herzen seiner Zuschauer erreicht hat und das heute noch tut, weil er einfach gut ist.
Mit Büchern besteht das gleiche Problem, nämlich dass es großartige Bücher gibt, die nie auch nur aus Versehen in die Nähe eines Literaturpreises geraten werden … 😉
Danke für dein Erlebnis mit der Kitschmadonna. Wie gut, dass du das erkannt hast, was wichtig ist 🧡.
Morgenkaffeegrüße 😀🌞🌼☕🍪👍
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Vor vielen Jahren habe ich ein Kitsch-Lexikon gekauft. Das hat mir die Augen geöffnet. Der lange als kitschig verschrieene Nazarener-Stil in der Malerei ist mittlerweile „rehabilitiert”.
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Na, wenn der vermeintliche Kitsch durch einen Lexikoneintrag zu adeln ist … 😎😉👍
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Alles was in Einem Resonanz findet, ist doch irgendwie gelungen! (Wie auch Dein Text).
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So ist es und: besten Dank!
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Sehr schön. Chaplin habe ich freilich nie als kitschig erlebt. Denn seine sentimentalen Seiten sind so echt, wie Kitsch nie sein kann.
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Ich denke, dass es eben das ist, warum Kitsch nicht pauschal diskreditiert werden sollte.
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Ich bin ein großer Verehrer von Chaplin aus so vielen Gründen. Das mit dem „Snob“ wusste ich noch nicht. Danke dafür
Liebe Grüße
Alice
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Ich würde sagen, dass auch der Tramp nicht frei ist von snobistischen Zügen, die er allerdings zugleich parodistisch auf die Schippe nimmt. Wenn ich nur an sein Schuh-Festmahl denke…
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