Das Vorstellungsgespräch

Mit dem neuen Jahr hat Christiane wieder einmal zu ihren Etüden eingeladen. Ich habe diese Einladung gerne angenommen und mit den Wörtern Hoffnungsschimmer, unverzeihlich, nähen eine Geschichte geschrieben. Viel Spaß beim Lesen.

Gelassen erreichte Frieda König die Schneiderei, in der sie ihr gefühlt tausendstes Vorstellungsgespräch hatte. Warum wurde sie bisher nicht eingestellt? Sie konnte es nicht sagen, denn nähen konnte sie. Jedes Gespräch hatte in ihr einen Hoffnungsschimmer geweckt, dessen Traum ein paar Tage später wieder geplatzt ist. In Kürze trifft sie auf eine weitere Person, die unverzeihlich nach Fehlern und Gründen suchen würde, warum sie nicht eingestellt wird. Hoffnung hatte sie längst aufgegeben. Sie ging nur hin, um keine Kürzungen im Arbeitslosengeld zu erhalten.

Daniel Hartwig, der Betreiber dieser Schneiderei, hatte ihre Unterlagen gründlich studiert. Schon wieder eine Langzeit-Arbeitslose. Warum sendet die Bundesagentur für Arbeit nicht einmal brauchbare Kandidaten, fragte er sich verärgert. Trotzdem musste er sich die Zeit für ein Vorstellungsgespräch nehmen, um überhaupt weitere Kandidaten vorgeschlagen zu bekommen. Seufzend bat er die Kandidatin in sein Büro. Er war sich sicher, dass das Gespräch nicht lange dauern würde. 

Jedoch schon das erste Auftreten imponierte ihm. Die Kandidatin schien nicht nervös zu sein. Im Gegenteil strahlte sie eine Ruhe aus, die er sonst bei keinem Kandidaten gesehen hatte. Sie zeigte ihm ihren natürlichen Charakter, verstellte sich nicht mehr und stellte sachlich ihre Kompetenzen dar. Dadurch wurde aus der geplanten viertel Stunde plötzlich eine Stunde. Aus der anfänglichen Ablehnung würde allmählich Sympathie.

Eine Woche später hatte Daniel Hartwig eine kompetente und wertvolle Mitarbeiterin gewonnen.

8 Kommentare zu „Das Vorstellungsgespräch“

  1. So kann es gehen. So sollte es gehen. Tatsache ist aber eher, dass der von dir geschilderte Fall eintritt: Sowohl Bewerber*in als auch Chef*in in spe gehen ohne Hoffnung in ein Gespräch, und nur, um keine Repressalien vom Amt in Kauf nehmen zu müssen. Ich habe beide Fälle erlebt. 😏
    Vielen Dank für deine erste Etüde im neuen Jahr! 😁👍
    Herzliche Morgenkaffeegrüße 😁🌧️🖥️☕🍪👍

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    1. Ja, das stimmt. Dennoch gibt es solche Ausnahmen von der Regel. Ich zum Beispiel wäre ohne meinen jetzigen Arbeitgeber nicht da, wo ich jetzt bin. Mein nicht ganz so linearer Lebenslauf hat ihn nicht abgeschreckt und er hat mir diese Möglichkeit gegeben. Nun bin ich seit fast drei Jahren dort und keiner von uns hat es je bereut. Ich wünsche mir, dass mehr Leute diese Vorurteile ablegen und den Menschen sehen und nicht immer nur die Vita.
      Es ist einfach nur schade, wenn Menschen wie du zum Beispiel so etwas erleben müssen. Da spürt man immer, dass das Gespräch nicht ernst genommen wird.
      Liebe Grüße Monika

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      1. Ich sag ja, ich kenne beide Fälle. Ich bin auch mal rausgepickt worden, und wäre die Firma nicht zwei Jahre später nach Berlin gegangen, würde ich vielleicht immer noch dort arbeiten.
        Kaffeegrüße zurück, seufzend … 😉

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