oder Lieber ein Anfang ohne Anhang als ein Anhang ohne Anfang oder so
Dieser Text schlummert schon seit längerem auf meiner Festplatte herum. Er scheint mir nach einer redaktionellen Revision recht gut zum dritten Bild der November-Dezember-Impulswerkstatt von Myriade zu passen. Es geht um das Verwirrspiel, das harmlos scheinende Buchstaben mit uns treiben können, dass man oft nicht weiß, wo einem der Kopf steht.
Das Palindrom ist eine rhetorische und ganz schön hinterfotzige (bairisch für hinterlistig) Figur, vor deren Gebrauch man nicht eindringlich genug warnen kann. Die damit verbundenen literarischen Risiken sind zu groß. Außerdem wären die gesellschaftlichen Folgen einer unkontrollierten Palindrom-Benutzung, insbesondere durch Hinz und Kunz, natürlich exorbitant fatal. Denken Sie doch nur an die internationale Telekommunikation.
Ich will meine These an einem Beispiel illustrieren. „Leben“ hört sich rückwärts gesprochen wie „Nebel“ an, aber es schreibt sich „nebeL“. Sie verstehen?
Mit „Neben“ verhält es sich analog. Besonders deutlich tritt das Problem bei „Nathan“ zu Tage. Vielleicht sind Sie der Meinung, nur oberflächliche Geister kämen auf die Idee, „Nathan“ von rückwärts zu sprechen. Sie haben durchaus Recht, wenngleich Sie rein gar nichts verstehen. Denn gerade das ist ja der Kern des Dilemmas. Weil sie oberflächlich sind, diese Geister, werde ich sie mit dieser kleinen, aber erhellenden Studie, nicht erreichen. Dabei gilt meine Warnung vordringlich ihnen. Nur die gesellschaftliche Hochintelligenz könnte das Palindrom beherrschen, lässt dennoch wohlweislich die Finger davon. Sogar ich verwende es nur im äußersten Notfall. Was soll es denn für einen Sinn ergeben, ein Wort wie Leben verkehrt herum zu sprechen? (Ähnlich kritisch dürfte im Übrigen die Bewertung der Alliteration ausfallen, wofür hier jedoch nicht der Platz ist.)
Doch zurück zum Nathan, im Übrigen ein Wort, das nur auf den ersten Moment nicht palindromfähig ist. Aber bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es seine Palindrompotenz nur geschickt zu tarnen weiß. Nathan, rückwärts gesprochen, klänge nämlich bis zum letzten Laut wie „Nathan“, schriebe sich jedoch „nahtaN“. Und das ist falsch. Spätestens jetzt ist klar, warum man vor dem Palindrom ausdrücklich warnen muss.
Und überhaupt: Mit Wörtern fängt es an. Aber wo hört es auf? Schon bald liest jeder sämtliche Texte von hinten. (Es gibt ja fragwürdige Zeitgenossen, die ihre Zeitung von hinten nach vorne lesen, sich damit der Gefahr aussetzen, nie den Anfang zu erreichen.) Dabei macht es ziemlich viel Mühe, einen Text schön der Reihe nach von vorne bis hinten zu verfassen. Ich sage Ihnen was: Im Grunde sind solche Palindromisten scham- und rücksichtslose Banausen. Solchen Leuten sollte das Lesen gänzlich untersagt werden.
Wenn Sie so einer sind, so fordere ich Sie auf: Beenden Sie sofort die Lektüre dieses Textes! Haben Sie überhaupt dafür bezahlt? Ist doch wahr! Und wenn Sie bezahlt haben, dann fangen Sie in Ihrem eigenen Interesse vorne an und hören auf, wann ich als Autor, der die Tantiemen kassiert, das will. Jetzt.
Ach was, bleiben Sie ruhig hier. Ich wette, es gibt eh wieder keine Tantiemen. „Harr, harr!“ (Kater Karlo)
Oho, das ist aber eine höchst originelle Assoziation zu dem Foto !! Sowas beeindruckt mich immer. Zum Thema Palindrom fällt mir immer der Satz ein, den ich zur Erklärung des Begriffs als Kind von meiner Mutter gelernt habe. Heute ist er allerdings politisch ganz unkorrekt : Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.
Dass man einen Satz in zwei Richtungen lesen kann, finde ich nach wie vor faszinierend und habe daher deine Überlegungen mit Interesse gelesen. Vielen Dank für diesen ungewöhnlichen Beitrag !
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Danke für das schöne Kompliment! Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit Wortspielen bis in die Untiefen unserer Suche vorstoßen kann.
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Ja, ich verstehe, was du meinst …
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