Die letzte Abschiedstournee

Fotos sollen zu Text werden? Wenn es nach Myriade geht, ja. Ich bin mir nicht sicher, ob es das erste Foto war, das mir die folgenden Zeilen entlockt hat. Es könnte auch das vierte gewesen sein. Oder die anderen beiden. Oder alle. Wer kann das entscheiden?

Als ich nach ihrem letzten Untergang wieder zur Tagesordnung übergehen wollte, ging sie prompt schon wieder unter, die gute alte Welt. Du, da schaust du blöd aus der Wäsche. Wenn du auf einmal weg und doch da bist. Nur: Wo bist du dann? Vielleicht bist du nur noch das unscharfe Motiv auf einem Foto, das im Album bis zur Ablösung vor sich hin pappt. An sowas gewöhnst du dich nicht so leicht.

Nach jedem Weltuntergang ist halt überall so ein Gewelle und Gewoge. Das große Nichts feiert fröhliche Urständ. Was anderes kann man schließlich auch nicht erwarten, wenn die Welt gerade ihre Abschiedstournee hinter sich gebracht hat.

Dabei ging es einmal so vielversprechend los mit dem Paradies. Aber das Paradies war einmal. Endgültig. Bei einem Paradies 2.0 würde der Mensch doch nur wieder vom verbotenen Baum naschen und wegen Verstoßes gegen die Spielregeln wie gehabt die rote Karte bekommen, das Feld räumen und sich den Lebensunterhalt mit körperlicher Arbeit verdienen müssen. Dem Weltuntergang sei Dank gehört immerhin auch das mit der Arbeit der Vergangenheit an. Arbeiten hat jetzt nicht einmal für die Karriere einen Sinn, geschweige fürs Geldverdienen. Ein Weltuntergang hat also auch was Gutes. Warum also zurück auf Start?

Außerdem war nach Adam und Eva noch die Sache mit Kain, der seinem eigenen Bruder Abel das Lebenslicht ausgeblasen hat, worüber Rilke sehr treffend dichtete: vor dem ersten Tode kam der Mord. Brudermord reloaded muss auch nicht sein.

Wenn alles nochmal von vorne losginge, wäre es vielleicht das beste, gleich mit der nächsten Abschiedstournee weiterzumachen. Weltuntergang forever.

Autor: Emsemsem.net

Ob gereimt oder nicht: Ich mach's und mag's kurz auf Emsemsem.net, wo es vorwiegend Aphorismen, königlich-bayrische Reimungen über den niederbayrischen Kini und Gedichte gibt. Wie gesagt: vorwiegend.

7 Kommentare zu „Die letzte Abschiedstournee“

  1. Hmmm, ich weiß natürlich auch nicht, welche Wege die Inspiration gegangen ist um dich zu diesem Text zu verleiten. Ich gehe einmal davon aus, dass es alle vier Fotos gemeinsam waren, die für diese Betrachtungen zum Weltuntergang zusammengearbeitet haben. Schön, dass du auch mitschreibst und vielen Dank für deinen originellen ersten Beitrag!!

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    1. Ich war offen gestanden erst einmal skeptisch. Fotos „betexten”? Andererseits gehe ich seit jeher auf Basis meiner Inspiration und Intuition zu Werke. Naja, und dann hat Monika das Ihre dazu getan, wofür ich ihr inzwischen durchaus dankbar bin.

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        1. In der Schule hatte ich jahrelang Probleme mit Aufsatzthemen, die mit mir so gut wie nie in Beziehung zu bringen waren. Das Ergebnis waren reihenweise Vierer. Erst mit der Textinterpretation ging es aufwärts, allerdings erst nach einer Pleite. Ich habe ein Goethegedicht weniger interpretiert als einfach nur genial gefunden. War ja von Goethe. Verständlich, dass mein Lehrer damit nicht zufrieden war. Ich lernte daraus, künftig erst einmal nur den Text zu mir sprechen zu lassen. So wurden meine Noten besser, sogar wenn ich anderer Meinung war als mein Lehrer, der gute Argumente gelten ließ.

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