Die Deutsch-Schulaufgabe

Wie ich von Themenverfehlungen zum Schreiben fand.

Und wieder einmal stand eine Schulaufgabe im Fach Deutsch an. Seit ich auf das Gymnasium ging, hatte ich kein großes Glück mit diesen Prüfungen. Sie bescherten mir regelmäßig schlechte Noten, so sehr ich mich auch bemühte. Der Grund lag weder in der Rechtschreibung noch im Stil, in der Grammatik oder im Ausdruck. Oft prangte eine rote fünf auf den korrigierten Exemplaren. Ihnen wurde jedes Mal eine Themenverfehlung unterstellt, die ich nie im Sinn hatte. Manchmal konnte ich es hinterher nachvollziehen, manchmal aber auch nicht.

Dieses Mal wollte ich es – wie so oft – besser machen, denn im Bereich „Beschreibungen“ war ich in den Übungen bisher gut gewesen. Freudig, aber doch mit einer gewissen Spannung betrat ich den Klassenraum. Die Minuten bis zum Eintreffen unseres Lehrers schienen sich endlos hinzuziehen. „Wann ist es endlich soweit? Wann kann ich mein Können zeigen?“, dachte ich damals.

Als der Lehrer endlich mit den Stapeln Papier kam, überkam mich doch eine leise Furcht. Wiederholte sich wieder das gleiche Spiel? Doch, was konnte schon schief gehen, beruhigte ich mich. Wie soll eine Themaverfehlung bei Beschreibungen überhaupt möglich sein? Man beschrieb doch lediglich Tatsachen. So oder so ähnlich versuchte ich mich in der sechsten Klasse nun zu beruhigen. Und schon lagen vor mir die leeren Blätter, auf die wir den Kopf mit Datum und Namen schreiben sollten. Daneben sah ich schon das umgedrehte Blatt mit den Aufgaben. Als ich es nun endlich umdrehen durfte, erblickte ich wie immer drei Themen, wovon wir eines aussuchen konnten. Die Themen lauteten:

(1) Ein Reifenwechsel bei Deinem Fahrrad steht an. Beschreibe die Schritte.

Zu dumm, einen Fahrradreifen habe ich noch nie gewechselt. Durch fehlendes Wissen fiel also diese Frage schon einmal weg.

(2) Beschreibe den Weg vom Maximiliansgymnaisum [das ich besuchte] bis zum Hauptbahnhof.

Auch damit war ich überfordert, denn ich kannte die Straßennamen und den Weg nicht so gut, dass ich ihn beschreiben könnte. Langsam wurde ich nervös. Was wenn auch das dritte Thema mir nicht passte? Ich atmete tief durch, bevor ich das dritte Thema las:

(3) Bereite einen Obstsalat zu! Beschreibe die nötigen Schritte!

Erleichtert atmete ich auf. Schon oft habe ich meinem Vater beim Kochen geholfen. Auch Salat hatten wir oft gemacht. Im Sommer zählte dies sogar zu meinen Lieblingsessen. Wie herrlich kühlend wirkte der Salat an heißen Tagen.

Doch nun musste ich aufhören zu trödeln. Ich schrieb das Thema auf das noch jungfräuliche Papier und begann dann mit einer Begeisterung zu schreiben. Erleichtert gab ich zuletzt meine Schulaufgabe ab und strahlte innerlich, denn ich ahnte noch nicht, dass auch hier etwas schief gehen konnte.

Mit Eifer erzählte ich zu Hause davon und dachte bereits dass diese grausame Fünf bei dieser Schulaufgabe bestimmt nicht auftauchte. Zwar war meine Versetzung nie gefährdet, weil ich im Unterricht immer gute Noten hatte und sich das dann etwas ausglich. Jedoch blieb immer ein beklemmendes Gefühl bei diesem Ergebnis, da ich in den anderen Fächern besser war.

So ging ich eine Woche später in die Schule. In der ersten Stunde war sogar Deutsch auf dem Stundenplan. Auf dem Tisch des Lehrers sah ich schon die bereits korrigierten Schulaufgaben. Nun stieg meine Nervosität enorm an – ich war noch nervöser als am Tag der Schulaufgabe. Ich konnte es kaum noch erwarten.

Jedoch musste ich nach dem Läuten der Schulglocke noch ertragen, dass der Deutschlehrer die Aufgabe erklärte, bis er endlich gegen Ende der Doppelstunde die Schulaufgaben zurückgab. Jeder musste nach der Reihenfolge des Alphabets vorgehen und noch ein paar Sätze des Lehrers anhören.

Als mein Name fiel, trat ich vor. Bevor ich meine Note sah, erblickte ich das ernste Gesicht meines Lehrers. Er sagte, dass es ihm leid tue. Die Beschreibung an sich wäre schon gut gewesen. Mein Herz pochte. Was würde nun kommen? Wäre es wieder diese ungeliebte Fünf? Der Lehrer versuchte mir zu erklären, dass Gurken, Tomaten und Möhren kein Obst seien. Daher hätte ich (wieder einmal) das Thema verfehlt. Ich konnte es kaum glauben. Da hatte ich so oft einen Salat gemacht, aber die Unterscheidung zwischen Obst und Gemüse war mir nicht bewusst gewesen und brach mir das Genick. Ich starrte auf die dicke rote Fünf, als mein Lehrer mich an der Schulter rüttelte. Er musste mich schon wiederholt gebeten haben, mich zu setzen.

Mit hängenden Schultern ging ich zurück, während meine Klassenkameraden mich mitleidig anblickten. Ich wollte mich nur noch in die hinterste Ecke verziehen und alleine sein. Wie in Trance verging der restliche Schultag. Selbst die Zwei in einer Mathe-Schulaufgabe heiterte mich nicht auf.

Zu Hause versuchten meine Eltern mich aufzuheitern. Erst viel später und nach einigen weiteren Themenverfehlungen wurde mir klar, dass diese Noten nur aussagten, dass ich die Thematik nach der Meinung des Lehrers nicht erfasst hätte. Mit der Schreibkunst an sich hatte das nicht viel zu tun.

Jedoch hat diese Erfahrung mich erstmal vom Schreiben abgehalten. Erst ein paar Jahre nach dem Abitur fing ich an, Texte zu schreiben. Ich hielt mich jedoch stark an recherchierten Texten. Durch Christianes Schreibeinladung habe ich mich wieder mehr an lyrische Texte gewagt und es macht sehr viel Spaß.

Trotz so manchen Rückschlägen bin ich froh, wieder zu schreiben. Ganz habe ich das Schreiben nicht aufgegeben. Ich habe mich lediglich in sicherem Terrain gewusst, wenn ich sachliche Texte schrieb. Doch dies hat mir geholfen, die Leidenschaft aufrecht zu erhalten. Als ich dann Christianes Schreibeinladung fand, wagte ich mich an andere Texte.

8 Kommentare zu „Die Deutsch-Schulaufgabe“

  1. Wenn ich das lese, werde ich so unglaublich sauer, dass ich schreien könnte. Klar, Themenverfehlungen gibt es. Aber dass dir nie jemand gesagt hat, dass mit deiner Fähigkeit, dich auszudrücken, alles okay ist, dass du lediglich etwas (und zwar vermutlich durchaus kreativ) falsch umgedeutet hast, und zwar so, dass du es richtig verstehst und es dich nicht am Boden zerstört, das ist richtig … scheiße, sorry.
    Ich freue mich, dass du die Etüden entdeckt hast, wo du gerne kreativ um die Ecke denken und sprachlich herumprobieren darfst. Gut so! 😀 Ich bin gern ein Teil deines (Schreib-)Weges. 😉
    Ganz herzliche Abendgrüße! 😀

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    1. Liebe Christiane,
      Ja das waren meistens Momente, in denen ich mich einfach nur verkriechen wollte. Jedes Mal gibst du alles und dann immer dieses Ergebnis.
      Das Einfühlungsvermögen der Lehrer war hier insgesamt auch nicht gut. Sie haben mich nicht abgeholt.
      Leider muss ich zugeben, dass sich das auch in Englisch bei den Aufsätzen durchsetzte. Ein Thema war zum Beispiel : Eine Freundin stiehlt im Supermarkt. Du siehst es. Was machst Du?
      Ich habe erst einmal angesetzt, wie ich über die Möglichkeiten nachgedacht habe und am Schluss mich dann entschieden habe. Dies war aber zu wenig Handlung nach Meinung der Lehrerin. Somit war es auch hier diese Fünf.
      Ich könnte hier noch einige ähnliche Beispiele schreiben.
      Letztlich bin ich froh, auch durch Dich, liebe Christiane, wieder in das kreative Schreiben eingetaucht zu sein. Hier gibt es kein richtig oder falsch. Hier ist es fiktiv oder aber auch persönlich. Es gibt so viele Wege und ich bin froh, trotz allem wieder in das kreativere Schreiben eingestiegen zu sein.
      Du siehst hier also auch, was Deine Schreibeinladung bewirkt. Ich finde es toll, was Du hier organisiert.
      Daher noch einmal mein herzliches Danke. 🤗
      Liebe Grüße und auch Dir einen schönen Abend ☺️
      Monika

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  2. Der Lehrer hat definitiv einen Fehler gemacht; die Gewichtung lag ja nicht auf den Zutaten, sondern auf der Beschreibung der nötigen Schritte zur Zubereitung. Der Gemüsesalat rechtfertigt die Note 5 nicht.

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    1. Da hast Du vollkommen Recht, Feli. Leider hatte er kein pädagogisches Gefühl und gegen seine Argumentation konntest Du kaum angehen. Liebe Grüße Monika

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      1. Wie hätte er wohl reagiert, wenn du zu Thema 2 eine genaue Wegbeschreibung abgeliefert hättest, aber nicht zum Hauptbahnhof, sondern woanders hin; und dann druntergesetzt hättest „ups, hab mich verlaufen“?!

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        1. Vermutlich genauso. Ich war wahrscheinlich nach den ersten Themenverfehlungen einfach in einer Schublade drinnen und kam da nicht mehr raus. Ob er bei jemand anderen genauso reagiert hätte, wage ich zu bezweifeln.

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