Hannah Arendt war der Meinung, unsere Sinne wären nicht ineinander übersetzbar. Kein Laut könne gesehen, kein Bild gehört werden. Ich persönlich würde ihr da gar nicht widersprechen, wäre da nicht diese Frau, mir der ich verheiratet bin.
Eines Tages ließ die sich nämlich wie folgt vernehmen: „Jetz um die Uhrzeit, wo’s finster ist, hob i nix ghäad.“ Mysteriöse Worte, für die es jedoch zu meinem allergrößten Bedauern eine schlüssige Erklärung gibt. Das bedauere ich deshalb, weil es Worte waren, die eines Karl Valentin würdig wären. Oder war es einfach nur ein spontaner Anfall von Synästhesie? Im Prinzip also ein glatter Frontalwiderspruch zu Hannah Arendts These?
Damals hatten wir Grund zu der Annahme, dass sich unter unserem Dach ein Untermieter – ein Marder, ein Siebenschläfer oder ein anderes nagendes Getier – häuslich eingerichtet hat, eine Annahme allerdings, die nach Meinung des herbeigerufenen Dachdeckers nicht zutraf. Dennoch widmeten wir dem Dachstuhl noch ein paar Tage unsere akustische Aufmerksamkeit und hielten, auch das eine hübsche Synästhesie, nach tappenden, kratzenden oder schabenden Geräuschen Ausschau.
So geschah es, dass meine liebe Frau besagten Tages die Treppe herunterkam und mir im Wissen, dass die in Frage kommenden Nager nachtaktive Lebewesen zu sein pflegen, kundtat: „Jetz um die Uhrzeit, wo’s finster ist, hob i nix ghäad.“
Auch wenn dieser Satz nicht von Karl Valentin stammt, so stammt er immerhin von meiner Allerliebsten, und ich finde, er ist es wert, der Welt mitgeteilt zu werden. Oder siehst du das anders, Welt?